Rede zum 1. Mai 2025

english version below

Liebe Kolleg:innen und liebe Mitstreiter:innen,

wir möchten heute über das Thema Berufsverbote sprechen.

Berufsverbote sind kein neues Phänomen. Berufsfreiheit war in der DDR nie gegeben, aber auch in der BRD gab es in den 1970er und 80er Jahren massenhafte Berufsverbote gegen Linke auf Grundlage des Radikalenerlasses. Der Radikalenerlass sah vor, dass Arbeitgeber:innen aus dem öffentlichen Dienst ihre Bewerber:innen auf ihre Verfassungstreue checken. Über sogenannte Regelanfragen holten Arbeitgeber:innen Informationen über ihre Bewerber:innen beim Verfassungsschutz ein. Diese Regelanfragen waren ein krasser Eingriff in die Berufsfreiheit und wurde bis Ende der 1990er Jahre zum Glück wieder abgeschafft.

Trotzdem kommt es immer noch zu Berufsverboten gegen Linke hier in Deutschland.

Benjamin Ruß, ver.di-Mitglied, wurde von der Technischen Universität München nicht eingestellt. Luca Schäfer, GEW-Mitglied, darf in Hessen sein Lehramtsreferendariat nicht antreten. Klimaaktivistin Lisa Poettinger darf in Bayern kein Lehramtsreferendariat machen. Die Schulsozialarbeiterin Inés Heider, Mitglied der GEW, wurde entlassen, weil sie angeblich zu wildem Streik bezüglich der Kürzungen im Berliner Senat aufgerufen hatte. In diesem Fall konnte Inés mit der GEW allerdings schon einen ersten Erfolg verzeichnen. Das Arbeitsgericht in Berlin gab ihr recht, dass ihre Kündigung nicht rechtmäßig war. Die Arbeitgeberin hat allerdings Berufung eingelegt. Die Berufungsverhandlung diesen Mai wird dann zeigen, wie das Arbeitsgericht entgültig entscheidet.

Auch wir haben in Jena letztes Jahr mit unsere:r Kolleg:in und Klimaaktivist:in Eli gegen ein Berufsverbot gekämpft.

Eli fing im Dezember 2023 als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in an der Universität Jena an zu arbeiten. Kurz darauf warf die Universität die Klimaaktivist:in wieder raus. Elis Vorstrafen, die aufgrund Elis zivilem Ungehorsam entstanden waren, wurden Eli dabei zum Verhängnis. Die Uni erklärte, dass Vorstrafen wegen Widerstands erkennen lassen, dass Eli die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stelle und deswegen nicht an einer staatlichen Einrichtung beschäftigt werden dürfe. Dass Eli gegenüber der Universität gesprächsbereit war und sich explizit positiv auf die FDGO bezog, interessierte die Universität in Jena überhaupt nicht.

Für uns als Gewerkschafter:innen ist dabei klar, dass wir es nicht hinnehmen können, dass ein:e Kolleg:in von uns den Job verliert, weil er:sie sich als Klimaaktivist:in engagiert!

Deswegen kämpften wir, die FAU Jena, mit allen Mitteln gegen dieses Berufsverbot an. Wir machten den Fall öffentlich und zogen vor das Arbeitsgericht in Gera. Gemeinsam mit anderen Gewerkschafts- und Klimagruppen veröffentlichten einen offenen Brief an die Universitätsleitung und 70 Kolleg:innen, Studierende und Unterstützer:innen demonstrierten mit uns gemeinsam vor dem Uni-Hauptgebäude.
Im Juli fand dann die Güteverhandlung am Arbeitsgericht in Gera statt. Dabei konnten wir auf die solidarische Unterstützung von ver.di, GEW und auch einem Mitglied des Personalrats der Universität Jena bauen.

Und unser Kampf hat sich bezahlt gemacht!

Die Universität ist eingeknickt, erkannte das Arbeitsverhältnis an und zahlte unserem Mitglied den ausstehenden Lohn von 17.500 €!

Auch wenn dies alles zunächst Einzelfälle sind, sind sie Teil einer gefährlichen Entwicklung, die uns alle betrifft und große Sorge bereitet. Denn auch wenn der Radikalenerlass offiziell abgeschafft wurde, scheint die Praxis doch wieder Einzug zu finden.

Es gibt Bestrebungen, diese Regelanfragen wieder einzuführen – vorgeblich, um den öffentlichen Dienst vor Rechtsextremen und Islamisten zu schützen! Doch wie wir sehen können und in der Geschichte gelernt haben, er wird auch oder vielleicht besonders gern gegen uns Linke eingesetzt. Das Land Brandenburg hat 2024 beschlossen, Beamte einem sogenannten Verfassungstreue-Check zu unterziehen, also wieder Anfragen beim Verfassungsschutz einzuführen. Gerade sieht es noch so aus, als würde die neue Brandenburger Regierung diese Maßnahme wieder kippen. Aber auch in Hamburg wurde Anfang des Jahres beschlossen, künftig sogenannte Sicherheitschecks, also ebendiese Regelanfragen an den Verfassungsschutz, wieder einzuführen.

Der Staat gibt sich damit ein immer schärferes Repressionsinstrument an die Hand – ein Instrument, das linke Meinungen und das Einstehen für eine gerechte Gesellschaft streng sanktioniert kann. Diese Entwicklung ebnet autoritären Kräften den Weg und droht – selbst ohne AfD in Regierungen – den Raum für unseren Widerspruch massiv zu verengen.

Wir, als Arbeiter:innen, Gewerkschafter:innen und Kolleg:innen müssen deshalb wachsam bleiben und uns organisieren, damit wir uns wehren können, auch gegen die Verschärfung von Berufsverboten. Und dabei ist es wichtig, dass wir uns mit anderen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zusammenschließen und gemeinsam kämpfen.
Unser Kampf gegen das Berufsverbot von Eli ist ein gutes Beispiel dafür: Wir haben es geschafft, innerbetrieblich die Gewerkschaften FAU, GEW und ver.di und außerbetrieblich die Klima-Bewegung in Jena zusammenzubringen und gegen das Berufsverbot zu vereinen, um somit genügend Druck auf die Universität aufzubauen.
In dem Sinne, bleibt wachsam, bleibt solidarisch und organisiert euch!

Vielen Dank!


english:

Dear colleagues and fellow campaigners,

We would like to talk about the topic of occupational bans today. Occupational bans are not a new phenomenon. Freedom of occupation never existed in socialist East Germany while in West Germany way more than one thousand leftists were banned from working in their profession in the 1970s and 80s. Then the law required employers in the public sector to check their applicants for their loyalty to the constitution. Employers obtained information about their applicants from the the Ger­man do­mes­tic in­tel­li­gence ser­vices. These checks and their consequences were a blatant encroachment on professional freedom and were fortunately abolished by the end of the 1990s.

Nevertheless, leftists are still being banned from working in certain professions. Benjamin Ruß, member of the ver.di services union, was not hired by the Technical University of Munich. Luca Schäfer, member of the GEW teacher, is not allowed to start his school placement in Hesse. Climate activist and trainee teacher Lisa Poettinger is not allowed to do her school placement in Bavaria. School social worker Inés Heider, member of the GEW teachers‘ union, was dismissed for allegedly calling for a wildcat strike over cuts in the Berlin Senate. Inés and her union, however, have already had their first success. The Berlin labour court ruled that her dismissal has been unlawful. However, the employer has lodged an appeal. The appeal hearing will take place in May. In Jena, we also fought against the occupational ban against our colleague and climate activist Eli last year.

Eli started working as a research assistant at the University of Jena in December 2023. Shortly afterwards, the university kicked the climate activist out again. Eli had previous convictions because of their actions of civil disobedience. The university declared that Eli’s convictions for resistance to state authority show that they are opposed to the constitution and should therefore not be employed at a state institution. The fact that Eli was willing to talk to the university and expressly confirmed that they do not oppose the constitution did not further interest the University of Jena at all.

For us as trade unionists, it is clear that it is unacceptable if a colleague loses their job because of their climate activism. That’s why we, the Jena locale of the Free Workers Union, fought against Eli being banned from working at the University of Jena with all means available. We made the case public and took it to the Gera labour court. Together with other trade unions and climate activism groups, we published an open letter to the university management and 70 workers, students and supporters demonstrated with us in front of the main university building. In July, the conciliation hearing took place at the Gera labour court. Representatives of the ver.di and GEW unions and a member of the University of Jena’s staff council joined us in supporting Eli at the court.

And our fight paid off! The university gave in, recognised the employment relationship and paid Eli €17.500!

Even if these are still all isolated cases, they are part of a dangerous development that affects us all and causes us great concern. Even though the repressive laws of the 1970s and 80s have been officially abolished, the practice of banning people from working seems to be making a comeback. There are efforts to reintroduce the loyalty checks – allegedly to protect the public sector from right-wing extremists and Islamists! But as we can see and have learned from history, such legilsation will also, or perhaps especially, be used against us left-wingers. In 2024, the state of Brandenburg decided to subject civil servants to a so-called constitutional loyalty check. At the moment, it seems the new Brandenburg government will withdraw this measure. Hamburg, however, also decided at the beginning of the year to reintroduce so-called security checks.

The state is thus creating a tool to severely suppress left-wing opinions and social justice activism. This development paves the way for authoritarian forces and threatens to massively narrow the space for our dissent, even without the fascist AfD in power.

We, as workers, trade unionists and colleagues, must therefore remain vigilant and organise so that we can defend ourselves, including against further bans from working in the public sector. And it is important that we join forces with other trade unions and social movements and fight together. Our fight against Eli being banned from working at the University of Jena is a good example: We have managed to bring together the shopfloor organisations of the FAU, GEW and ver.di unions and the local climate movement. United we were able to build enough pressure on the university.

Victory to the workers! Thank you very much!

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