Gedenken an Opfer von Zwangsarbeit und Todesmarsch in Jena und Großlöbichau

Die Wandergruppe kurz vor Großlöbichau

Als Wandergruppe der FAU Jena haben wir am Sonntag, 8. April 2018, mit insgesamt 16 Teilnehmer_innen eine Wanderung in Erinnerung an das Jenaer KZ-Außenlager und das Massaker von Großlöbichau gemacht.Wir wollen im Folgenden über die Hintergründe der Wanderung und unsere Perspektiven auf ein engagiertes Erinnern sprechen.

Wir haben uns mittags am Standort des ehemaligen KZ-Außenlager und einer 2014 aufgestellten Stele in der Löbstedter Straße getroffen. Jena hatte als Rüstungsstandort während des Krieges insgesamt 15.000 Zwangsarbeiter_innen in einen Lagerkomplex, bestehend aus 23 Lagern mit Schwerpunkt im Südviertel. Die Lager wurden von Carl Zeiss, Schott, der Reichsbahn mit ihrem Ausbesserungswerk, der Stadtverwaltung und vom Zementwerk in Göschwitz betrieben. Sie hatten Zwangsarbeiter_innen angefordert und waren für deren Überwachung und Versorgung zuständig. Die meisten Zwangsarbeiter_innen waren zivile Zwangsarbeiter_innen, Kriegsgefangene und Juden. Von Oktober 1944 bis April 1945 bestand aber auch ein KZ-Außenlager mit insgesamt 1000 KZ-Häftlingen aus Buchenwald. Sie mussten im Reichsbahnausbesserungswerk in der Löbstedter Straße arbeiten und wurden Anfang April 1945 in einem Todesmarsch über das KZ-Außenlager Colditz bis nach Leitmeritz getrieben.

Die Stele erinnert neben dem KZ-Außenlager auch an das Barackenlager aus ausgebauten Zugwaggons ganz in der Nähe, in dem ab 1940 Juden und Jüdinnen aus Jena bis zu ihrer Deportation und Vernichtung ab 1943 ghettoisiert waren.

Anschließend sind wir über den Jenzig nach Großlöbichau, ein kleines Dorf östlich von Jena, gewandert. Dort hat während des Todesmarsches der Buchenwald-Häftlinge, der auch über Jena führte, am 12. April 1945 ein Massaker stattgefunden. Um die 30 Gefangene, die während der Nacht geflohen waren, wurden von Bürgern Großlöbichaus denunziert und anschließend vom Volkssturm hingerichtet. Unmittelbar nach dem Krieg wurde am Ort der Hinrichtung, im alten Steinbruch über der ehemaligen Reichs-, mittlerweile Bundesstraße, ein Grab errichtet. Dort haben wir zum Abschluss der Wanderung einen Kranz mit den Worten „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! FAU Jena“ abgelegt. Zumindest dieses Verbrechen wurde übrigens bis 1947 über mehrere langjährige Haftstrafen und Hinrichtungen von Verantwortlichen juristisch geahndet.

Kranz der FAU Jena am Grab der Opfer des Massakers in Großlöbichau

Diese Geschichten – die Deportation der Juden und Jüdinnen, Zwangsarbeit und Todesmärsche – sind mittlerweile von der Stadt mit einem Gedenkkonzept von 2012, der Stele von 2014, einer umfangreichen Buchveröffentlichung von 2015, den Stolpersteinen und den regelmäßigen Gedenkveranstaltungen am Westbahnhof und Heinrichsberg offiziell aufgearbeitet. Mit ihrer staatlichen Anerkennung wurden diese Verbrechen jedoch auch in die Nationalerzählung der BRD integriert, die sich nun nach der Überwindung „zweier Diktaturen“ als demokratischen Staat sieht. Die umgebrachten Zwangsarbeiter_innen, Juden und Jüdinnen dienen heute also als Legitimation einer Demokratie, über deren Verbrechen die Stadtoberen sich wiederum ausschweigen.

Wir wollen daher neben dem offiziellen Gedenken von Stadt und Politik, die für die Zwangsarbeit der Gefangenen heute, die massenhafte Abschiebung von Flüchtlingen, die Aushöhlung von Arbeiterrechten, die Verfolgung autonomer Bewegung und zahlreiche andere Missstände mitverantwortlich sind, unsere eigenen Formen des Gedenkens finden, die auch einschließen, Bezüge zur Gegenwart herzustellen und Kontinuitäten aufzuzeigen. Mit unseren Wanderungen wollen wir einen kleinen Beitrag zu einer solchen unabhängigen Gedenkpolitik leisten.

FAU-Wandergruppe Jena

April 2018

[ssba]

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