Samstag | 4. November 2023 | 16–19 Uhr | SR 309 der Universität Jena in der Carl-Zeiss-Straße 3
Der Berliner Historiker Bernd Gehrke wird in seinem Vortrag über die beeindruckende, aber gescheiterte und weitgehende vergessene Protestbewegung der frühen 1990er Jahren in den Betrieben und Städten Ostdeutschlands sprechen: über die Massendemonstrationen, wilden Streiks, Werksbesetzungen, Hungerstreiks. Er wird dabei auch auf die Schock-Strategie der Privatisierung durch die Treuhandanstalt sprechen, die in der Deindustrialisierung der ehemaligen DDR mündete. Auch auf die Rolle der Gewerkschaften bei den Protesten wird er eingehen. Im Anschluss an den Vortrag wird er uns einen halbstündigen Dokumentarfilm über den Kampf der Arbeiter:innen vom Stahl- und Walzwerk Henningsdorf bei Berlin zeigen. Tausende Kolleg:innen besetzten 1991 über zwei Wochen das Werk und kämpften gegen dessen Ausverkauf durch die Treuhand.
Bernd Gehrke ist Ost-Berliner Arbeiterkind, hat sich als Dissident in den 1970ern und 1980ern für einen demokratischen Sozialismus engagiert, sich mit der Arbeiterbewegung in Polen und anderen Oppositionellen in der DDR solidarisiert, weshalb er mit Parteiausschluss und Berufsverbot bestraft wurde. In der Wendezeit war er in der Initiative für eine Vereinigte Linke (VL) aktiv und engagierte sich für unabhängige Betriebsräte. In den 1990ern war er im Bündnis Kritischer GewerkschafterInnen Ost-West sowie als Unterstützer der Ostdeutschen Betriebsräte-Initiative aktiv. Er macht gewerkschaftliche und außergewerkschaftliche Bildungsarbeit, forscht und publiziert als Zeithistoriker zu den sozialen und betrieblichen Protesten in der DDR und in Ostdeutschland. U.a. hat er mit Renate Hürtgen 2001 eine ausführliche Darstellung des „betrieblichen Aufbruchs“ vom Herbst 1989 in der DDR veröffentlicht sowie 2017 eine umfangreiche Dokumentation der „Ostdeutschen Betriebsräteinitiative“ vorgelegt.
Die FAU Jena ist eine Basisgewerkschaft in Jena. Wir betreiben unser Büro in der Bachstraße 22, bieten eine wöchentliche Sprechstunde an, organisieren gewerkschaftliche Schulungen, vertreten unsere Mitglieder in Konflikten gegenüber ihren Chefs und am Arbeitsgericht und bringen uns in gewerkschaftsübergreifende und klassenkämpferische Bündnisse ein. Bei uns haben die Mitglieder das Sagen. Wir lehnen die Sozialpartnerschaft mit Chefs und Staat ab, setzen auf eine kämpferische Haltung und arbeiten auf eine Gesellschaft hin, in der wir die Produktion gemeinsam verwalten und die Würde und Freiheit jedes Einzelnen achten.