ThürHG – neoliberale Konfliktverwaltung statt tatsächlicher Änderung von Machtverhältnissen

Statement der Bildungssektion der FAU Jena zum neuen Thüringer Hochschulgesetz

Am 27. April 2018 hat der Thüringer Landtag nach über zweijähriger Diskussion das neue Thüringer Hochschulgesetz verabschiedet. Das Gesetz spielt eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Arbeits- und Studienbedingungen an den Hochschulen. Entsprechend wollen wir uns im Folgenden kritisch mit dessen Novellierung auseinandersetzen. Während einige Veränderungen als Fortschritt gesehen werden können, bleibt es insgesamt hinter dem Forder- und Machbaren zurück und wird für gewerkschaftliche und andere Kämpfe an den Thüringer Hochschulen kaum bessere Bedingungen schaffen.

Vertretung in den Gremien

In den Gremien sind die Statusgruppen der Hochschule – Dozent_innen (das sind im wesentlichen die Professor_innen), Mitarbeiter_innen und Student_innen – vertreten, während eine Schattengruppe an Ausgelagerten nicht repräsentiert ist, da sie offiziell nicht als Mitglieder der Hochschule gelten wie z.B. Lehrbeauftragte, Putzkräfte und Sicherheitspersonal. Bisher hatten die Dozent_innen die Hälfte der Stimmen, ab sofort sollen alle Gruppen das gleiche Stimmrecht haben, d.h. die Gremien sollen paritätisch besetzt sein. Der Haken an der Sache ist, dass im Grunde alle wesentlichen Angelegenheiten im Bereich der Mittelvergabe, Studienbedingungen, Universitätsstrukturen usw. einer Ausnahmeklausel (vgl. § 37) unterliegen, die den Dozent_innen doch wieder mindestens die Hälfte der Stimmen zugesteht.

Eine weitere angebliche Verbesserung besteht darin, dass Lehrbeauftragte nun unter gewissen Bedingungen auf Antrag als Mitglieder der Hochschule zählen und damit in den Gremien vertreten werden können. Diese Bedingungen kann aber kein Lehrbeauftragter erfüllen.1 Darüber hinaus bleiben weitere Gruppen der Schattenstatusgruppe wie z.B. Privatdozent_innen, Sprachlehrer_innen, ausgelagertes technisches Personal und sonstige Honorarkräfte, weiterhin von den Gremien ausgeschlossen.

Arbeitsbedingungen

Das Hochschulgesetz bestimmt wesentlich die Arbeitsbedingungen an der Uni mit. Auch hier sind keine Verbesserungen zu verzeichnen. Die Hochschulen bestimmen weiterhin einseitig die Arbeitsbedingungen der ausgelagerten Lehrbeauftragten. In Bezug auf studentische Hilfskräfte, jetzt in Assistent_innen umbenannt, wurde im Gesetzestext zwar auf den Tarifvertrag (TV-L) verwiesen, von diesem sind sie bei Leistung wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten aber wie bisher ausgeschlossen. Weder für studentische Hilfskräfte, noch für wissenschaftliche Mitarbeiter_innen wurde – obwohl zeitweise in Diskussion – eine minimale Befristungsdauer eingeführt. So sind Vertragslaufzeiten von wenigen Monaten weiterhin möglich.

Studienbedingungen

Der Forderung nach Abschaffung aller Studiengebühren wurde nicht nachgekommen. Es gibt zwar keine allgemeine Studiengebühren, dafür aber weiterhin unzählige spezielle Gebühren, z.B. Langzeit-, Zweitstudien-, Senioren- und andere Studiengebühren. Im neuen Thüringer Hochschulgesetz wurde rechtlich die Möglichkeit zur Zwangsexmatrikulation aufgrund „überlanger“ Dauer des Studiums geschaffen und damit eine bisherige Praxis legalisiert. Hingegen wurde versäumt, wirksame Regelungen gegen die oft beklagte Willkür der Prüfungsämter und der Hochschulen zu schaffen. So wurde zwar die Anwesenheitspflicht zumindest für einen Teil der Lehrveranstaltungen verboten, wird aber – wie schon bisher – über Prüfungsvorleistungen und -anforderungen unterwandert werden (können). Positiv einzuschätzen is tatsächlich, dass für Krankschreibungen bei Prüfungen künftig ein einfaches ärztliches Attest ausreicht und damit in der Regel kein amtsärztliches erforderlich ist.

Ein neoliberales Gesetz von links

In Stellungnahmen des SDS, der GEW sowie von Linkspartei, Grünen und SPD wurde das Gesetz im Großen und Ganzen gelobt und wenn es Kritik gab, dann wurde sie sehr vorsichtig formuliert. Das ist kein Wunder, da diese Organisationen auf die eine oder andere Weise am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren.

Dieser Einschätzung können wir uns nicht anschließen. Insgesamt ordnet sich das Gesetz in den allgemeinen neoliberalen Trend ein. Es soll an der Oberfläche ein bisschen mehr Mitbestimmung und eine Diversity-Beauftragte geben. Aber: Die Situation der universitären Beschäftigten und die tatsächlichen Machtverhältnisse an den Unis werden nicht angetastet. Die ausgeweiteten Mitbestimmungsmöglichkeiten bedeuten letzten Endes mehr Konfliktverwaltung und -befriedung in den Gremien anstatt eines offenen Konflikts um die Macht- und Arbeitsverhältnisse. Und all das, um die Studierenden weiterhin entsprechend der Erfordernisse der Wirtschaft, also des Kapitals, heranzubilden (vgl. § 5).

 

Fußnote

1 Lehrbeauftragte müssen „in drei Jahren mit oder ohne Unterbrechung mindestens drei Semester mit jeweils mindestens neun Lehrveranstaltungsstunden bestellt“ sein (vgl. § 21 Abs. 1). Sie müssen also drei Mal 5 Seminare in einem Semester schaffen, was de-facto nicht möglich ist.

[ssba]

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