Der Arbeitskampf in der Lebenshilfe Zeulenroda

Ein Jahr Arbeitskampf bei der Lebenshilfe – ein Rückblick.

Vor etwa einem Jahr begannen wir als FAU Plauen eine Auseinandersetzung bei der Lebenshilfe Zeulenroda. Zeit für einen Rückblick. Im Sommer 2018 wandte sich ein Arbeiter aus der Pflege mit Bitte um Unterstützung an uns. Einige Beschäftigte aus der Lebenshilfe Zeulenroda waren mit den Arbeitsbedingungen in der von ihnen betreuten Einrichtung unzufrieden. Aus den ersten Gesprächen ging hervor, dass die Bedingungen nach Ansicht der Beschäftigten sowohl für die Arbeiter*Innen als auch die betreuten Menschen nicht länger tragbar seien. Noch bevor wir uns als Gewerkschaft in die Auseinandersetzung einschalten konnten, war der Arbeitskampf im Grunde abgeblasen: Die Gruppe der kämpferischen Beschäftigten existierte nicht mehr. Der Betroffene, der mit uns Kontakt hatte, wurde innerhalb der Probezeit gekündigt, die anderen verließen den Betrieb oder entschieden sich, ihre Ansprüche auf individuellem Wege durchzusetzen.

Dennoch beschlossen wir, eine Auseinandersetzung mit der Lebenshilfe Zeulenroda e.V. zu wagen. Diese ist eine von über 500 lokalen Vereinigungen, die Teil des bundesweiten Lebenshilfe-Verbandes sind. Nach einiger Recherche hatten wir festgestellt, dass auch zuvor an anderen Orten Unzufriedenheit geherrscht hatte und auch die FAU bereits in weiteren Städten wie Bremen (2001) und Frankfurt (2015) Organisierungsversuche bzw. Arbeitskämpfe unternommen hatte. Im Grunde drehte sich der Konflikt diesmal um die Frage nach dem Gültigkeitsbereich des Pflegemindestlohnes auch für ungelernte Pflegekräfte und um den umstrittenen Punkt der Bereitschaftsstunden während der Nachtdienste.

Während wir mit Lohnforderungen an die Lebenshilfe Zeulenroda e.V. herantraten, gingen wir zugleich öffentlich in die Offensive: Wir entwickelten einen Flyer zu Arbeitsbedingungen in der Pflege, welcher nicht nur Forderungen an die Lebenshilfe stellte, sondern generell die gewinnbringende Verwertung von pflegebedürftigen Menschen als Ware im Kapitalismus kritisierten. Mit mehreren tausend Flyern bestückten wir Zeulenroda und Triebes sowie einige umliegende Ortschaften nahezu flächendeckend.

Zu Beginn des Jahres 2019 trat der Konflikt in seine entscheidende Phase: Zwei Termine vor dem Arbeitsgericht Gera waren angesetzt. In einer ersten Güteverhandlung einigten wir uns mit der Lebenshilfe Zeulenroda e.V. auf eine niedrige vierstellige Abfindungssumme für den gekündigten Kollegen. Weitere Ansprüche waren zwar aus unserer Sicht gerechtfertigt, aufgrund der dünnen Beweislage allein verbrachter Bereitschaftsstunden jedoch nicht durchsetzbar. Da unsere öffentlich vorgebrachte Kritik an den vorherrschenden Arbeitsbedingungen aus Sicht der Lebenshilfe Zeulenroda jeglicher Grundlage entbehrte, waren wir gleichzeitig mit einer Unterlassungsklage konfrontiert. Auch da ließ sich subjektiv einiges kritisieren, jedoch weniges beweisen, was uns gegen Schadenersatzforderungen eines millionenschweren Pflegekonzernes abgesichert hätte. Wir willigten ein. Keine öffentlichen Details, keine Kritik im Internet.

Und nun? Ursprünglich eine Selbsthilfeorganisation von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen, hat sich die bundesweite Lebenshilfe in den letzten Jahrzehnten zu einem Pflegekonzern mit Millionenumsätzen entwickelt. Presseberichte lassen die Interpretation zu, dass weiterhin problematische Arbeitsverhältnisse bei Trägern der Lebenshilfe bestehen könnten. Problematische Arbeitsbedingungen in der Pflege sind strukturell bedingt – gewinnorientiertes Handeln im Kapitalismus und Menschenwürde für Arbeiter*innen und die betreuten Menschen schließen sich aus, was auch in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort „Pflegenotstand“ immer offener diskutiert wird. Für unseren Kollegen haben wir eine Abfindung herausgeholt. Zudem gehen wir davon aus, mit unserer öffentlichen Kampagne einige Menschen in Zeulenroda-Triebes und Umgebung für die vorherrschenden Bedingungen im Pflegebereich sensibilisiert zu haben, unabhängig von der Lebenshilfe. Es bleibt dabei: Pflegekräfte und Angehörige, organisiert euch gemeinsam und solidarisch gegen miese und unhaltbare Bedingungen!

[ssba]